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Astro-Labor

Von den Sternen zu den Sternen

Philip Schiffmann ist tot. Er war ein echter Astronaut, einer von denen, wie es sie nur noch selten gibt, die von den Sternen kommen und zu den Sternen gehen. Immer. Ein Maniac, ein Freak, ein wundersamer Astrologe. Ein Widder auf den letzten Graden, die es dauernd in die Sicht auf das Wirkliche des Stiers zutreibt, mit diesem feurigen, widerständlerischen Merkur dazu. Und dem alten, strengen Saturn, Herr seines Aszendenten - ein Schalk, wenn man ihn würdigt. Und auch, wenn nicht. Genau in der Himmelsmitte im Skorpion. Da, wo die Drachen wohnen, in der Tiefe. Deshalb sollte er auch so viel rechnen und maßstäblich werden, und das wurde er - tatsächlich. Philip Schiffmann aus Wien, für seine Freunde nur der Liebliche, der eigentlich Heinrich hieß, hat einmal in einem Interview mit Mona Riegger (STERNWELTEN) den bahnbrechenden Satz gesagt:

"Jeder bekommt den Astrologen, den er verdient." Mehr Stimmigkeit geht gar nicht. Und wer diesen Astrologen bekam, verdiente eben eine astrologische Ausnahme-Ausstattung. Schiffmann beriet nicht für Geld, dafür erfand er das Combin 1972 gratis, ein Tauschgeschäft, über das Götter lachen und Menschen weinen. Weil es so viel Antrieb und Anstand einfach so eigentlich gar nicht geben kann. Denn sonst müssten wir andern uns alle schämen. Seine Erfindung, die damals gerade an den Rändern des Bewusstseins trieb, tauchte in den Jahren an mehreren Ecken der Welt in ein paar sehr klugen Köpfen plötzlich auf. Weshalb man heute nicht genau weiß, wer der Allererste war. Aber dass Schiffmann am Combin extrem früh ansetzte, bei seinen endlosen Experimenten und Ausflügen in die Zahlenwelten der Astrologie, seiner Neugier auf das, was stimmt, ist völlig unbestritten. Er war 87 Jahre alt, als er jetzt, am 5. August, um 22 Uhr 45 in Wien wieder auf die große Reise ging, dahin, wo er ohnehin dauernd war: Irgendwo, da oben, wo sie besser wissen, was das Schicksal ist und wie man es genau ausliest. Mit MONA RIEGGER hat er als Mitbegründer und Autor nicht nur in Sternwelten, der Mutter der kosmologischen Online-Magazine hierzulande, die Welt der Beziehungen neu buchstabiert und kongenial (mit seinem Tool und ihren Deutungen) einen Werkzeugkoffer in die Astrologie eingebracht. Was heute noch jedem Paar-Astrologen die reine Freude ist. So fein, so genau, so fraglos.

Man suchte sie regelrecht, die wenigen Schiffmann'schen Sätze, die sich irgendwo finden ließen - denn, wie gesagt, er war anders. Er schrieb nicht gern. Aber er philosophierte so weit und nah, dass es jeder begreifen konnte, der Ohren hatte zu hören. Zum Beispiel so: "Das ganze Universum stimmt. Dass der Uranus damals bei meiner Geburt dort stand, das stimmt. Dass jetzt in China ein Bauer seinen Reis ißt, das stimmt. Dann kommen jetzt aber die G'scheiten daher und sagen: 'Ja, dann habe ich ja keinen freien Willen mehr'. Und ich sage dann, 'Aber natürlich! Du kannst jetzt aufstehen, du kannst sitzenbleiben, aber was du machst, stimmt. Es ist dein völlig freier Wille. Es stimmt nur was du machst. Du kannst jetzt bei der Tür hinausrennen, du kannst dich auf den Boden legen, nur was du machst, stimmt. Dein freier Wille ist dir nicht genommen'. Das Ganze ist eine Einheit, so wie die Ägypter aus dem Vogelflug geweissagt haben. Der Vogelflug hat eben gestimmt." (Zitat INTERVIEW mit Mona Riegger).

Als Philip Schiffmann (Radix rechts) 1976 in Wien die erste Esoterik-Buchhandlung "777" in der Grünangergasse eröffnete, die heute ein Klassiker und Juwel der alten Garde ist, konnte die Welt dieses Wort, Esoterik, noch kaum aussprechen. Geschweige denn, dass sie verstand, was für ein Kosmos sich darin versteckte. Denn es hatte nichts mit der heutigen, inflationären Pop-Variante unter demselben Namen zu tun. Schiffmanns Laden wurde der Klassiker für alle, die mehr wollten als seichtes, schicksals-hungriges Zeug. Sein Uranus-Merkur, gespiegelt über die kosmische Spalte, machte eben aus dem Wiener mehr als einen inhaltlich Reisenden über die Horizonte des Üblichen. Er war klug, er war lustig, aber, von dem, was man hörte, war Schiffmann auch hypergenau.

Und er jonglierte in einer fast schon erschreckenden Offenheit und Präzision mit unterschiedlichen Methoden und Horoskopen, ohne je in die modische Beliebigkeit zu verfallen, die inzwischen so überaus modern ist. Chiron beispielsweise hat er mit schlafwandlerischer Sicherheit nach Prüfung um Prüfung, Rechnung um Rechnung, Statistik um Statistik der Jungfrau zugeordnet. Wer wagt, gewinnt eben - und wenn nicht einer mit Sonne-Chiron Konjunktion eng, wer denn sonst? Für eine Prognose fahndete Schiffmann noch im letzten Winkel nach Zusatz-Daten, die man auslesen konnte, an denen er korrigierte. Denn ihn bewegten die Horoskope, also bewegte er die Horoskope, bis in die tiefesten Tiefen ihrer mehrdimensionalen Räume hinein. Wenn etwas für ihn die Astrologie nicht war, dann statisch.

...wenn ich das Horoskop eines Menschen habe, hab ich eigentlich immer nur einen Bruchteil meines astrologischen Wissens über ihn. Was ich zum Beispiel selten hab, ist das Horoskop seiner Eltern, das Horoskop seines Partners. Eigentlich müsste ich auch das Geburtshoroskop seines Wohnhauses haben, seines Autos, seiner Autofirmafabrik, seines Greißlers (zu deutsch: Krämer). 1000 verschiedene Geschichten. Mit seinem Radix hab ich nur einen Bruchteil, es spielt aber noch vielmehr hinein bei der Geschichte." 

(Philip Schiffmann, 1998, Interview STERNWELTEN)


Radix-Bilder drehte er wie Jojos, mit einer traumwandlerischen Sicherheit, setzte der einen Technik eine andere auf, um sie aneinander zu überprüfen. Übertrug deren Verschiebungen auf die angegebenen Geburtszeiten, denen er chronisch misstraute, arbeitete mit Lunaren, Marsaren, Saturnaren, bis er sicher sein konnte, die wirkliche Zeit gefunden zu haben. Freuen konnte er sich über kosmische Witze, bei denen er auch einmal Rübezahl-Horoskope herumreichte (die dann am besten zwei Neptune hatten) oder sagte Sätze, die in die Schulbücher der Astrologen gehören, immer tolerant, aber glasklar in der Sache: "Du kannst mit einem Quadrat untergehen, aber wenn du dem widerstehst, wirst du doppelt so stark. Der mit lauter Trigonen stirbt und zwei Tage später weiß kein Mensch, dass es den überhaupt gegeben hat."

Philip Schiffmann wurde vermutlich als Astrologe geboren, wenn es so etwas gibt, auch wenn er sich erst nach einer Karriere bei der Versicherung und endloser Skepsis der Astrologie ergab. Sie war für ihn erst eine Art zufälliger Stein im Weg, dann eine Herausforderung, die er nicht glauben wollte. Dann ein Geschenk, als sie sich nicht widerlegen ließ. Und Geschenke meinte er, darf man nicht weiterverkaufen. Also teilte er seine Wahrheit und Weisheit mit unendlicher Großzügigkeit, antwortete denen, die wissen wollten. Ihm lag nicht an Ruhm. Was für ein Geschenk an alle, die suchen. Dafür muss man selbst einiges erlebt haben - Vita Schiffmann von Schiffmann:

Schlechter Schüler, faul, schwätzt, keinerlei Lerneifer. Matura geschenkt bekommen, da eingerückt. Ein Jahr Soldat, keine Orden. Fünf Semester Philosophie an der Uni Wien. Ein Jahr cashier bei der American Express Company. Drei Jahre Bergführer in den Ötztalern. Zehn Jahre Bezirksdirektor bei einer Versicherung. Dann Astrologie kennengelernt und total abgestürzt."


Mit einem Erd-Aszendenten, ohne einen einzigen Erd-Planeten, aber den Erd-Häusern in der Umsetzung pickepacke voll, trieb dieser Philip Schiffmann, der nicht nur für junge Astrologen so viel und so freigiebig zu lehren hatte, den einen oder anderen mit seiner Genauigkeit, dem Tüfteln, der Hartnäckigkeit und seinem Feuer vielleicht an den Rand seiner Fähigkeiten. Weil nicht jeder diese ewig junge Kraft hat, auch noch den übernächsten Schritt präzise zu überprüfen, wenn man den nächsten schon kaum versteht. Nicht jeder ist eben genialisch. Es muss auch gute Handwerker geben. Und die wenigsten haben diesen Mumm und Widder-Impuls, den Widerspruchsgeist, alles neu aufzurollen, selbst zu finden, im astrologischen Zugang den Kreis zu quadrieren. Revolutionär und Forscher zu sein. Strukturist und Träumer. Eine absolut unübliche Mischung, wenn einer dabei durch und durch Mensch bleibt. Philip Schiffmann war so einer von den Wenigen, den Guten. Jetzt geht er nach Hause. Nicht, ohne das letzte Wort zu haben. Er bat Mona Riegger in den Wochen vor seinem Tod, später denen, die ihn kennen, das direkt zu übermitteln:  

Den Weg zum Friedhof könnt ihr euch sparen, dort bin ich nicht! Setzt euch zuhause hin und hört ein Stück von Johann Sebastian Bach, Bob Dylan oder Jimi Hendrix. Vielleicht kann ich euch hören. Auf Wiedersehen!"

Ja. Auf Wiedersehen, Philip Schiffmann und ganz großen Dank für alle Erkenntnis!

 

Bild und Zitate: Online Magazin STERNWELTENEinen Nachruf von Mona Riegger finden Sie HIER. Das ganze, wunderbare und astrologisch spannende Interview mit Philip Schiffman HIER.

 

Donnerstag, 28. März 2024

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