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Don´t be a Buddhist - be a Buddha

Wenn ein Leben vorbei ist, bleiben nur Erinnerungen. Am 8. November ist Hans-Hinrich Taeger gestorben, frühmorgens, alleine, in seiner selbstgewählten Heimat Irland. 

„Sei kein Buddhist – sei ein Buddha“, ist eines seiner Lieblingszitate. Aus einer Philosophie etwas Lebendiges und Wahres machen, statt Worthülsen gelebte Wirklichkeit. Das war ein Teil dessen, was er mir und vielen anderen vermittelt hat. Auch und gerade über Astrologie.

Herbst 1980. Ein zweiwöchiger Astro-Kurs in Tirol neigt sich dem Ende zu. In zwei Wochen haben wir sämtliche Planeten auseinandergenommen, durchleuchtet, zugeordnet und untersucht. Nur zwei sind noch übrig – Neptun und Pluto. Wie üblich findet am Abend die große Runde statt, alle Teilnehmer sind anwesend. Aber statt astrologischer Ausführungen, überrascht Hans mit einer Ankündigung. Ihm sei bewusst, dass im Laufe des Kurses auch viele Unstimmigkeiten aufgetreten sind, er habe gehört, dass einzelne Teilnehmer auch mit ihm persönlich so ihre Probleme gehabt hätten. Und er möchte allen jetzt die Gelegenheit geben, ihm kritisches Feedback zu geben.

Die Atmosphäre in dem Raum ist äußerst spannungsgeladen. Denn in den letzten beiden Wochen hat Hans des Öfteren einzelne Teilnehmer und ihre Charts heraus genommen, den Finger in offene Wunden gelegt. Es gab Tränen und Wutausbrüche, manche wollten spontan abreisen. Aber alle sind geblieben, denn immer gab es auch etwas Versöhnliches, Weiterführendes. Niemand wurde von Hans in diesem Prozess alleine gelassen, am Ende war vieles besser als vorher.

Anfangs herrscht noch betretenes Schweigen in der Runde, bis Hans schließlich, ganz dominanter Kursleiter, anordnet, dass jeder etwas sagen müsste, reihum. Eine Mittdreissigerin macht den Anfang, erst zögerlich, dann aber immer deutlicher. Sie fühle sich von ihm nicht wahrgenommen, oberflächlich behandelt. Er käme ihr arrogant und selbstherrlich vor.

Das wirkt wie ein Signal. Einer nach dem anderen „packt plötzlich aus“, lässt Fünfe nicht mehr gerade sein. Beschwerden über Beschwerden, Vorwürfe, harte Kritik, die bis zu persönlicher Beleidigung geht. Abgründe tun sich auf, eine an und für sich homogene Gruppe zerfällt in einen Haufen wütender Egos.

Aber während der ganzen Zeit gibt es keine Reaktion von Hans Taeger. Er bedankt sich lediglich bei jedem Sprecher für den Mut und die klaren Worte, obwohl man ihm anmerkt, wie sehr ihn manches getroffen hat. Aber es kommt keine Widerrede, keine Rechtfertigung, keine Erklärung. Und es geht endlos weiter, bis alle Teilnehmer auch das letzte bisschen Negativität zum Ausdruck gebracht haben. Für viele scheint es eine Art Erlösung und Erleichterung zu sein, die weit über diesen Kurs hinausgeht. Es gibt keine Kopfnicker und Jasagerinnen mehr, kein falsches Lächeln und keine guterzogenen Lügner in diesem Raum.

Alles ist auf dem Tisch, an den Mann gebracht worden. Und der Mann heißt Hans Hinrich Taeger und wäre ich an seiner Stelle gewesen, wäre ich sofort abgereist. Aber Hans sitzt nur vorne und schweigt, während sich die entstandene Aufregung mehr und mehr legt. Und einem betretenen Schweigen Platz macht.

Bis Hans es endlich bricht. „Das hier ist unser Pluto-Abend. Ein Teil dessen, was wir an negativen Bildern und Emotionen laufend mit uns herum schleppen, an Enttäuschungen und Erwartungen, die wir für uns behalten, hat jetzt seinen Ausdruck gefunden. Durfte aus einem ängstlich bewachten Ghetto von Selbstbetrug, Dumpfheit, abgespaltenen Höflichkeitsformen und Schönfärberei ausbrechen. Das ist gut so. Aber all das Negative, das wir in der Welt und an anderen wahrzunehmen glauben, kommt aus unserem eigenen Inneren, entsteht nur dort und nirgendwo anders. Ihr dürft also jetzt all das, was ihr mir so großzügig angeboten habt, wieder zu euch zurück nehmen. Genau so wie es jetzt ausgedrückt wurde.“

Und nun begann das Ganze von Neuem. Er wandte sich an die Mittdreißigerin: „Du nimmst mich und andere nicht wahr, du bist überheblich und arrogant? Warum?“ In Kürze entspann sich zwischen den beiden ein Dialog über Schutzmechanismen, verdrängte Kindheitserinnerungen und Spiegelprojektionen. Über Pluto und die Schätze, die er vor uns verborgen hält. Anfangs unter Tränen, später mit Erleichterung, am Ende gab es befreites Lachen.

Reihum bekam nun jeder sein „Geschenk“ wieder zurück, ohne Vorwurf, nur mit dem Hinweis auf die eigene Geschichte. Und den Weisheitsschatz, der darin verborgen liegen könnte. Als Hans damit fertig war, bedankte er sich nochmal und bat um Verständnis, dass er heute Abend keine Fragen mehr im trauten Kreis beantworten wolle, er sei etwas müde und gehe jetzt schlafen. Stand auf und ging.

Was danach kam, lässt sich nur schwer beschreiben. Ich habe selten mit so vielen, mir fremden Menschen in einem Raum gesessen, und dabei das Empfinden von Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit gehabt. Jeder Blick hatte etwas Neues, die alten Maskeraden waren verschwunden, und plötzlich fand wirkliche Begegnung statt. Wirkliches Interesse füreinander. Aber all das hatte nicht den Hauch von Euphorie oder Wellness-Esoterik, es war unmittelbar verbunden mit einer klaren Erkenntnis des eigenen Anteils an der „Schlechtigkeit der Welt“ und der damit verbundenen Verantwortung.

Erst viele Jahre später sorgte „The Work“ von Byron Katie für ein weltweites Echo, und wurde in spirituellen Kreisen salonfähig. Dieser Ansatz war an jenem Abend greif- und erfahrbar, in einem schlichten Kurs über Astrologie.

Für Hans Taeger war das genau der Punkt, dieses Zusammenspiel von astrologischem Hintergrund und lebendiger Erfahrung fasste er unter dem Begriff „Astro-Energetik“ zusammen:

Astro-Energetik ist keine theoretische Schreibtisch-Wissenschaft. Ihr informativer Anteil trägt vielmehr dazu bei, das Spiel der Energien bewusster und widerspruchsfreier verstehen und tolerieren zu können und die Augenblicks-Potentiale positiv zu nutzen. Unser Hintergrundwissen muss sich an den Kriterien unserer eigenen Erfahrung bewähren. Gefühl, Kopf und Herz dürfen sich nicht auseinander entwickeln.


Zitat aus
Astroenergetik – Die zwölf kosmischen Energien,
Hans H. Taeger, Knaur Verlag

Im Zeitalter esoterischer Selbsterfahrungen mag einem das obige Zitat fast altbacken vorkommen, damals vor 35 Jahren, war es neu und auch revolutionär. Astrologie war nicht länger nur das Herrschaftswissen einiger älterer Frauen und Männer, sondern etwas Frisches, Neues und Lebendiges. Keine langweilige, kosmische Algebra, die sich nur in bedeutungsschwangeren Interpretationen erschöpfte, sondern ein anderer Ansatz, sich selbst und die Welt besser zu verstehen.

Dieser Ansatz war mutig, auch weil Hans Taeger ihn meistens mit dem geistigen Hintergrund des tibetischen Buddhismus verknüpfte. Er verband die kosmischen Archetypen ein- und erleuchtend mit den geistigen Visualisationen vom Dach der Welt, suchte nach einer Symbiose der Essenz, die auch das Verständnis für astrologische Zusammenhänge erweiterte.

Das geriet aber nie zum Dogma, war immer getragen von dem Wunsch nach Offenheit. Methoden und Konzepte wurden laufend erweitert und angepasst, immer auch unter strenger Bewahrung astrologischer Grundlagen.

Denn Genauigkeit im Umgang mit den Fakten war Hans immer ein besonderes Anliegen. Als einer der ersten seiner Zeit erkannte er die revolutionäre Bedeutung von Computern und ihre Möglichkeiten für Forschung und Beobachtung. Im Oktober 1975 gründete er seine Schule „Manjushri Mandala“, ein Experiment, dass astrologische Studien mit den Grundlagen des Buddhismus zusammen bringen wollte. Gleichzeitig entstand „Astro-Brain“, eines der ersten Computerprogramme, das Chart-Berechnungen für jedermann erschwinglich machte und Zugriff auf Daten bot, die „per Hand“ kaum berechenbar waren.

In dieser Zeit entstanden auch zahlreiche neue Methoden: Das Luna-Solar (innerer Neu- und Vollmond), die Mandala-Energie-Analyse, das Hologramm und vieles andere (auf die wir vielleicht demnächst in eigenen Artikeln näher eingehen werden). Ausführlicheres findet sich auf seiner Webseite in Irland und bei Astro-Wiki. Als er 1984 mit seinem Freund Thomas Siegfried nach Irland auswanderte, baute er vor allem seine umfangreiche Datensammlung weiter aus. In den Taeger-Archiven fanden sich über 20 000 Horoskope, akribisch recherchiert und aufbereitet (vieles davon wird in Zukunft in die Astro-Databank eingefügt werden).

Aber all das beschreibt nur eine Seite von ihm, was Hans Taeger wirklich ausmachte, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Wie bei uns allen, gab es auch beim ihm Licht und Schatten, für seine Überzeugungen stand er immer ein und scheute auch Kontroversen nicht. Öffentlichkeit empfand er oft nur als notwendiges Übel, um Inhalte und Ideen zu vermitteln, der Rückzug nach Irland war eine logische Konsequenz. Genauso wie die kleinen Meditations-Retreats, die er immer wieder zusammen mit Freunden und Mitarbeitern in den Bergen organisierte. Dort oben erlebte man dann den anderen Hans, mit Sonne, Mond, Neptun und Merkur in Haus zwölf. So als wäre er jetzt endlich angekommen, könnte er sich endlich dem widmen, was ihn wirklich bewegte. Und auch hier ging es nicht nur um rituelle Meditations-Sitzungen mit langen Mantra-Ansammlungen, sondern um eine lebendige Erfahrung von dem, was uns wirklich ausmacht, aber im Alltag so oft verborgen bleibt.

Sei kein Buddhist – sei ein Buddha.

Für seine Inspiration, seine Freundlichkeit und seine Großzügigkeit werde ich Hans Hinrich Taeger immer dankbar sein. Genauso auch für seine Widersprüchlichkeit, seine Kritik und seine Streitlust, wenn er mit etwas nicht einverstanden war. Denn beides zusammen gab mir die Gelegenheit, eine eigene Haltung, einen eigenen Weg und eigenen Umgang mit dem zu finden, was er an Gutem und Positiven in die astrologische Welt gebracht hat.

Wer sich auf den lebendigen Tanz mit all diesen Energien einlässt, die wir Pluto, Neptun, Saturn, Jupiter oder Uranus nennen, wird sich nie im falschen Schein eines illusionären Wissens dauerhaft sonnen können. Er oder sie wird immer wieder auch scheitern, an sich, an den eigenen Ansprüchen oder den Ansprüchen anderer. Und nur diejenigen, die solange weiter tanzen, bis auch die letzten Töne des großen, samsarischen Orchesters in das donnernde Schweigen des eigenen Seins integriert sind, werden am Ende wissen, dass sich all das gelohnt hat.

Hans Hinrich Taeger´s Tanz in diesem Leben ist jetzt zu Ende. Aber wie er selbst einmal schrieb:

Nenn diesen Körper einen wertvollen Schatz oder ein Gefängnis. Am Ende ist er nur ein Kostüm, das wir uns für eine gewisse Zeit ausgeborgt haben. Welches Kostüm wird unser Karma wohl als nächstes wählen?

In diesem Sinne ist der Abschied von ihm kein endgültiger. Man wird sich wieder sehen und treffen, und vielleicht auch erkennen. In einem anderen Leben, in einer anderen Zeit. Bis dahin bleibt nur die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Astrologen, einen weisen Freund und einen mutigen Tänzer.

Möge dir all das Gute und Freundliche, das Wahre und Wirkliche, das du in die Welt gebracht hast, reiche Früchte bringen. Wir werden dein Andenken in Ehren halten.

Am 24. November, um 15:30 h wird die Asche von Hans Hinrich Taeger am Ballymastocker Beach, Portsalon, Co. Donegal (Knockalla side) in Irland dem Wind übergeben werden.

Mehr über Hans Taeger:

Seine Webseite in Irland - IAS + Manjushri Mandala
Lieblingszitate - WITTY WISDOM
Biographisches - BIO DEUTSCH

Eintrag im ASTRO-WIKI (mit Chart) - Hans Taeger

Freitag, 29. März 2024

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